Sie wurden flügge ...
ENTLASSUNGSFEIER AM 15. MÄRZ 1963

Wie jedes Jahr fand auch in diesem Jahre in der Aula der Friesenschule eine Entlassungsfeier für die abgehenden Schüler und Schülerinnen statt. Außer den nun zu "Ehemaligen" Gewordenen waren Abordnungen aus den einzelnen Klassen, viele Eltern, Vertreter des Elternrats, des Vereins der "Ehemaligen", sämtliche Mitglieder des Lehrerkollegiums sowie als Vertreter der Stadt Bürgermeister Uebel u. Schulrat a.D. Geerdes erschienen. Ein sorgfältig zusammengestelltes Programm mit Chorliedern und Gedichten führte hin zu der Ansprache des Klassenlehrers der Klasse 10 b, Herrn Memming. Abschiedsworte des neuen Schulsprechers, Johann Zimmermann, sowie des bisherigen Schulsprechers, Rüdiger Kipsch, folgten. Nach weiteren Ansprachen von Bürgermeister Uebel und dem Vorsitzenden des Vereins ehemaliger Mittelschüler, Erwin Otten, erfolgte die Entlassung durch den Schulleiter, Herrn Raackow. Mit Dankesworten und der Überreichung von Blumensträußen an die Klassenlehrer Memming und Sodtalbers seitens der abgehenden Schüler fand die Feier ihren Abschluß.

In seiner Ansprache führte Herr Memming zunächst aus, wie schwer es sei, bei einer solchen Gelegenheit die wirklich passenden Worte zu finden, Worte, die jeden einzelnen erreichen könnten; denn von den 60 jungen Menschen sei jeder ein Individuum, ein Einzelwesen mit besonderen Empfindungen und Erwartungen. Er glaube aber, alle seien sich darin einig, daß sie ein unangebrachtes Pathos wie Gefühls- und Rührseligkeit ablehnten. Deshalb wolle er sich hüten, in Stimmung zu machen oder in beschwörendem Tone zu reden, und sich auf eine Art Rechnungslegung beschränken, eine Bilanz ziehen, wobei er einräume, daß nicht alles glatt aufgehe.

Nach Kennzeichnung des miteinander Arbeitens und des Zusammenlebens beantwortete er dann die Frage nach der Aufgabe der Schule mit folgendem Satz: "Die Schulen können weder Bildung noch Lebenstüchtigkeit vermitteln, sondern zu ihnen nur Voraussetzungen schaffen, da sich beide erst im Leben gewinnen lassen, in beruflicher und politischer Bewährung." Die Summe des Gelernten sei noch nicht gleich Bildung, und eine Menge von Fertigkeiten ergebe noch nicht ohne weiteres Lebenstüchtigkeit. Entscheidend sei, was der Mensch, in diesem Falle der entlassene Mittelschüler, mit dem anfängt oder anzufangen weiß, was ihm die Schule mitgegeben habe.

Die Schule habe dann ihr Ziel erreicht, wenn sie den Schüler entlasse - neben Schaffung von sicheren Grundlagen in Wissen und Können - mit der nötigen Aufgeschlossenheit den Fragen des Lebens gegenüber und mit der Bereitschaft, sich mit den Problemen in der neuen Umwelt wirklich auseinanderzusetzen. So trete neben die beiden Begriffe "Bildung" und "Lebenstüchtigkeit" der Begriff "Bewährung", und dazu gehöre etwas, was über Wissen und Können hinausgehe, das sei eine Frage des Charakters. Bewährung hänge ab von der Kraft des Willens, von Ausdauer, Beharrlichkeit, Zielbewußtheit und Zuverlässigkeit, und all dies zeige sich im beruflichen Leben und im Umgang mit andern Menschen. Auch in dieser Hinsicht habe die Schule sich bemüht, einige Voraussetzungen zu schaffen, und nun komme es darauf an, von suchenden jungen Menschen zu entschiedenen zu werden. Es müsse jemand wissen, was er wolle, und bei aller Toleranz gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen müsse der Mensch etwas haben, woran er glaube und wovon seine Lebensführung bestimmt werde. Für den Christen seien dies die Gebote Gottes, und nach der Meinung des Redners sei derjenige gut beraten, der sich daran halte; er sei der Überzeugung, daß für die Bewährung im Leben der christliche Glaube von entscheidender Bedeutung sein könne. Alle sollten sich davor hüten, sich als "Fertige" anzusehen, Stillstand bedeute Rückgang. Herr Memming schloß seine Ansprache mit den Worten: "Und nun liegt das Leben vor euch mit all seinen Möglichkeiten; die Schule hat versucht, die Voraussetzungen zur Gewinnung von wahrer Bildung und Lebenstüchtigkeit im Leben bei euch zu schaffen; an euch ist es nun, euch zu bewähren!"


APRIL 1963